04 Brexit
1 Einführung
Seit dem Beginn ihrer Existenz kennt die EU nur die Integration neuer Mitgliedsstaaten. Mit dem eingereichten Austrittsgesuch Großbritanniens bricht nun eine neue Zeit an.
Dort befindet sich auch der Videovortrag von Prof. Dr. Karen E. Smith von der London School of Economics and Political Science, der sich exakt mit diesem Thema auseinandersetzt. Im Anschluss daran werden die vorangegangenen Überlegungen in Anlehnung an das Komplexprogramm von Dieter Senghaas einer Systematisierung unterzogen, bevor im letzten Teil eine Zusammenfassung erfolgt.
- Welche Motive veranlassten den Austritt?
- Welche Folgen wird er für GB und die EU zeitigen?
- Und stellt der Brexit eine Bedrohung für den inneren Frieden in Europa dar?
Dort befindet sich auch der Videovortrag von Prof. Dr. Karen E. Smith von der London School of Economics and Political Science, der sich exakt mit diesem Thema auseinandersetzt. Im Anschluss daran werden die vorangegangenen Überlegungen in Anlehnung an das Komplexprogramm von Dieter Senghaas einer Systematisierung unterzogen, bevor im letzten Teil eine Zusammenfassung erfolgt.
Brexit in a nutshell
Am 23. Juni 2016 stimmten die Briten in einem Referendum für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Nicht ganz ein Jahr später, am 29. März 2017, begann der Austrittsprozess: Die britische Premierministerin Theresa May reichte das Austrittsgesuch schriftlich beim Europäischen Rat ein. Seit dem läuft die zweijährige Frist, in der alle Bedingungen zum geordneten Austritt ausgehandelt werden müssen.
Im Brexit findet eine über Jahrzehnte andauernde Entfremdung der Briten gegenüber der EU bzw. der EWG ihr Ende. Historisch betrachtet, besaßen die Briten schon immer eine Sonderstellung im europäischen Raum. Schon der Beitritt Großbritanniens war steinig und wurde erst 1973 umgesetzt. Bereits 1975 folgte ein erstes Referendum über den Verbleib der Briten in der EU, wobei sich die Bevölkerung mit 67% gegen einen Austritt aussprach. Doch auch nach diesem Ergebnis blieben die Zweifel an der EU weiter erhalten. Die damalige Premierministerin Margaret Thatcher fühlte sich beispielsweise bereits in den 1980er Jahren bei den Beitragszahlungen an den EU-Haushalt benachteiligt und handelte 1984 einen sogenannten "Britenrabatt" aus. Auch beim "Schengener Abkommen“ hielt sich Großbritannien von 1985 bis 2005 zurück. Ein weiteres Zeichen der Skepsis an der EU ist die Tatsache, dass Großbritannien niemals den Euro einführte und somit kein Mitglied der Währungsunion war. Diese Skepsis wurde durch die jüngsten Entwicklungen mit der Schulden und Migrationskrise verstärkt und fand letztendlich ihren Ausdruck im Brexit Referendum.[1]
Im Brexit findet eine über Jahrzehnte andauernde Entfremdung der Briten gegenüber der EU bzw. der EWG ihr Ende. Historisch betrachtet, besaßen die Briten schon immer eine Sonderstellung im europäischen Raum. Schon der Beitritt Großbritanniens war steinig und wurde erst 1973 umgesetzt. Bereits 1975 folgte ein erstes Referendum über den Verbleib der Briten in der EU, wobei sich die Bevölkerung mit 67% gegen einen Austritt aussprach. Doch auch nach diesem Ergebnis blieben die Zweifel an der EU weiter erhalten. Die damalige Premierministerin Margaret Thatcher fühlte sich beispielsweise bereits in den 1980er Jahren bei den Beitragszahlungen an den EU-Haushalt benachteiligt und handelte 1984 einen sogenannten "Britenrabatt" aus. Auch beim "Schengener Abkommen“ hielt sich Großbritannien von 1985 bis 2005 zurück. Ein weiteres Zeichen der Skepsis an der EU ist die Tatsache, dass Großbritannien niemals den Euro einführte und somit kein Mitglied der Währungsunion war. Diese Skepsis wurde durch die jüngsten Entwicklungen mit der Schulden und Migrationskrise verstärkt und fand letztendlich ihren Ausdruck im Brexit Referendum.[1]
Doch warum gab es dieses Votum genau zum jetzigen Zeitpunkt und welche Lehren können daraus gezogen werden? Welche Nachteile, aber auch Vorteile bringt das Votum und welche Herausforderungen und Gefahren kommen auf Großbritannien, die Europäische Union und ganz Europa zu?
Noch kann nicht auf jede Frage eine Antwort gefunden werden, da die Verhandlungen gerade erst begonnen haben und laut Artikel 50 auch eine Zurücknahme des Austrittsgesuchs möglich sein könnte. Ebenfalls trat durch das Votum eine tief gespaltene Gesellschaft in Erscheinung. Das Ergebnis unterteilt die Gesellschaft Großbritanniens in Alter, Bildung, Klasse und Geographie. Doch am meisten zeigt uns dieses Votum die Angst vor der vorherrschenden politischen Natur der heutigen Zeit: der Globalisierung. Es geht nicht mehr nur um rechts oder links in der Politik, sondern um die akuten Folgen und Nachteile der Globalisierung und um die, die sie annehmen und die, die große Angst davor haben.[2]
Sozialwissenschaftler Alexander Betts geht davon aus, dass sich genau diese Angst im Brexit-Votum widerspiegelt. So haben vor allem die Regionen für den Austritt gestimmt, die sich von der Globalisierung benachteiligt und von ihren Politikern nicht repräsentiert fühlen, weshalb sie einen souveränen Nationalstaat mit eingeschränkter Migration bevorzugen. Die Frage ist nun, wie damit umgegangen wird und was getan werden kann, um diese tiefe Spaltung zu versiegeln. Während auf internationaler Ebene bereits ein (kleines) Umdenken erkennbar ist, welches sich zum Beispiel im Zusammenhalt der EU27 gegen die Forderungen Großbritanniens zeigt, ist noch offen, wie Großbritannien ihre „gap“ schließen wird. Zwar hatte May im Oktober angekündigt auf jeden Fall auch die Regierungen Schottlands, Wales und Nordirlands explizit in die anstehenden Verhandlungen mit einzubeziehen, allerdings scheint das vor allem mit den Nordiren und den Schotten schwierig zu werden, da in beiden Ländern die Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt hat [3]. Kritiker behaupten, dass May nur nach Interessen ihrer Conservative Party agiert mit dem Ziel, die konkurrierende Labour-Partei möglichst klein zu halten.[4]
Es sind schwere oder zumindest ganz neue Zeiten angebrochen in Europa. Vielleicht gilt es nun die Vorteile der Globalisierung mehr in den Fokus zu rücken und vor allem Vorteile für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Niemand sollte das Gefühl haben kein Teil davon zu sein.
Doch es wird dennoch schwer alle Gefahren des Brexit auf europäischer, aber auch innerstaatliche Ebene abzuweisen. So stellt sich die Frage, ob Schottland wirklich ein weiteres Unabhängigkeitsvotum vollziehen wird. Ebenfalls ist unklar, welche Konsequenzen der Brexit für Nordirland hat. Sollte die Freizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU sowie der freie Handel eingeschränkt oder mit Zöllen versehen werden, wird das vor allem das britische Nordirland treffen, welches sowieso bereits immense Herausforderungen mit dem grenznahen Nachbarn Irland hat. Allein in Rücksichtnahme auf Nordirland sollten die vier Freiheiten der EU bezüglich freiem Verkehr von Waren, Kapital, Personen und Dienstleistungen beibehalten werden. Wobei die EU diese Freiheiten auch nur im "Gesamtpaket" vergeben will. Neben Fragen zu den vier Freiheiten der EU, gibt es aber auch Unklarheiten bezüglich der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob Großbritannien zukünftig weiterhin 2% des BIPs für Verteidigung ausgeben kann.[5]
Im Kontext dieser offenen Fragen - nicht nur zur GSVP, sondern auch zum Zusammenhalt des UK und der EU - werden ganz grundsätzlich Probleme der Friedensforschung virulent. Darauf wird im folgenden Kapitel näher einzugehen sein. Begriffserklärung finden Sie im bereitgestellten Glossar.
Noch kann nicht auf jede Frage eine Antwort gefunden werden, da die Verhandlungen gerade erst begonnen haben und laut Artikel 50 auch eine Zurücknahme des Austrittsgesuchs möglich sein könnte. Ebenfalls trat durch das Votum eine tief gespaltene Gesellschaft in Erscheinung. Das Ergebnis unterteilt die Gesellschaft Großbritanniens in Alter, Bildung, Klasse und Geographie. Doch am meisten zeigt uns dieses Votum die Angst vor der vorherrschenden politischen Natur der heutigen Zeit: der Globalisierung. Es geht nicht mehr nur um rechts oder links in der Politik, sondern um die akuten Folgen und Nachteile der Globalisierung und um die, die sie annehmen und die, die große Angst davor haben.[2]
Sozialwissenschaftler Alexander Betts geht davon aus, dass sich genau diese Angst im Brexit-Votum widerspiegelt. So haben vor allem die Regionen für den Austritt gestimmt, die sich von der Globalisierung benachteiligt und von ihren Politikern nicht repräsentiert fühlen, weshalb sie einen souveränen Nationalstaat mit eingeschränkter Migration bevorzugen. Die Frage ist nun, wie damit umgegangen wird und was getan werden kann, um diese tiefe Spaltung zu versiegeln. Während auf internationaler Ebene bereits ein (kleines) Umdenken erkennbar ist, welches sich zum Beispiel im Zusammenhalt der EU27 gegen die Forderungen Großbritanniens zeigt, ist noch offen, wie Großbritannien ihre „gap“ schließen wird. Zwar hatte May im Oktober angekündigt auf jeden Fall auch die Regierungen Schottlands, Wales und Nordirlands explizit in die anstehenden Verhandlungen mit einzubeziehen, allerdings scheint das vor allem mit den Nordiren und den Schotten schwierig zu werden, da in beiden Ländern die Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt hat [3]. Kritiker behaupten, dass May nur nach Interessen ihrer Conservative Party agiert mit dem Ziel, die konkurrierende Labour-Partei möglichst klein zu halten.[4]
Es sind schwere oder zumindest ganz neue Zeiten angebrochen in Europa. Vielleicht gilt es nun die Vorteile der Globalisierung mehr in den Fokus zu rücken und vor allem Vorteile für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Niemand sollte das Gefühl haben kein Teil davon zu sein.
Doch es wird dennoch schwer alle Gefahren des Brexit auf europäischer, aber auch innerstaatliche Ebene abzuweisen. So stellt sich die Frage, ob Schottland wirklich ein weiteres Unabhängigkeitsvotum vollziehen wird. Ebenfalls ist unklar, welche Konsequenzen der Brexit für Nordirland hat. Sollte die Freizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU sowie der freie Handel eingeschränkt oder mit Zöllen versehen werden, wird das vor allem das britische Nordirland treffen, welches sowieso bereits immense Herausforderungen mit dem grenznahen Nachbarn Irland hat. Allein in Rücksichtnahme auf Nordirland sollten die vier Freiheiten der EU bezüglich freiem Verkehr von Waren, Kapital, Personen und Dienstleistungen beibehalten werden. Wobei die EU diese Freiheiten auch nur im "Gesamtpaket" vergeben will. Neben Fragen zu den vier Freiheiten der EU, gibt es aber auch Unklarheiten bezüglich der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob Großbritannien zukünftig weiterhin 2% des BIPs für Verteidigung ausgeben kann.[5]
Im Kontext dieser offenen Fragen - nicht nur zur GSVP, sondern auch zum Zusammenhalt des UK und der EU - werden ganz grundsätzlich Probleme der Friedensforschung virulent. Darauf wird im folgenden Kapitel näher einzugehen sein. Begriffserklärung finden Sie im bereitgestellten Glossar.
Literatur- und Quellenverzeichnis
[1] Becker, Markus et al. (2017): Endlich verständlich Die wichtigsten Antworten zum Brexit. http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-alles-was-sie-zum-referendum-wissen-muessen-a-1089870.html#sponfakt=5 (Letzter Zugriff: 13.10.2017).
[2] Betts, Alexander (2016): Why Brexit happened -- and what to do next, 12.08.2016. https://www.youtube.com/watch?v=dcwuBo4PvE0 (Letzter Zugriff: 13.10.2017)
[3] Niedermeier, Alexander/Ridder, Wolfram (2017): Das Brexit-Referendum. Wiesbaden: Springer VS
[4] Richter, Stephan-Götz (2017): Theresa May und der Brexit. Zehnmal verrechnet. http://www.spiegel.de/politik/ausland/theresa-may-ihre-brexit-strategie-beruht-auf-zehn-fehlkalkulationen-a-1146262.html, 06.05.2017, (Letzter Zugriff: 14.05.2017).
[5] Kienzle, Benjamin/Hallamas, Ellen (2016): European security and defence in the shadow of Brexit. Global Affairs, 2:5, p.465-469, p. 466