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Um die Eurokrise zu verstehen, muss man ein wenig in die Vergangenheit blicken.
Ihre Ursprünge sind verschiedene: Die Fiskal- und Geldpolitik im Euroraum, die fehlende Regulierung des Finanzmarktes sowie die Finanz-und Wirtschaftskrise Ende der 2000er.
Wie und warum man eine Konfliktanalyse durchführt erklärt Ingo Henneberg für das Ringseminar Konfliktanalyse in diesem Videovortrag.

1.1. Krisenverlauf und Hintergründe
Immobilien bzw. Subprime Krise
Der Auslöser der Finanzkrise lag in der amerikanischen Immobilienblase. Diese hatte wirtschaftliche, politische und regulatorische Ursachen. In den Vereinigten Staaten war es durch die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (FED) möglich, sehr günstig an Kredite zu gelangen. Die Nachfrage an Immobilien stieg stark an und damit auch die Preise selbiger. Banken vergaben Kredite zunehmend an finanziell weniger gut gestellte Personen, oft ohne deren Vermögens- und Einkommenslage zu überprüfen. Die Kredite an Geringverdiener werden „Subprime-“ bzw. „NINJA“ (no income, no job no asset) –Kredite genannt.
Da die Hauspreise schon seit Jahren stetig stiegen (Verdoppelung der Preise von 1990 bis 2006), die Kreditnehmer mit ihren Häusern bürgten und diese somit bei ausbleibender Zahlung der Kreditraten in Besitz der Bank übergingen, galt die Vergabe von Immobilienhypotheken als eine sichere Anlage. (Die auf dem Immobilienmarkt herrschende Euphorie breitete sich auch auf den anderen Kontinenten aus.) Als die FED den Zinssatz erhöhte stieg die Tilgungslast der Schuldner an. Kreditnehmer, die ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten, veräußerten ihre Häuser. Als Konsequenz davon fingen die Preise an zu fallen. Eine Vielzahl an Privathaushalten verlor ihre Häuser durch Enteignung oder Zwangsversteigerungen. Das erhöhte den Preisdruck auf die Immobilien weiter, er fiel unter den Hypothekenwert, die Immobilienblase platzte und brachte Millionen Privatpersonen in die Überschuldung[1].

Finanzkrise
Als die Immobilienblase noch am Wachsen war, sicherten sich Banken, trotz dem niedrig geglaubten Risiko eines Ausfallenden Kreditdarlehens, ab. Hierbei waren die Teilnehmer am Finanzmarkt sehr kreativ. Zahlreiche Finanzinnovationen und Zweckgesellschaften/Schattenbanken wurden erschaffen, um sich des Risikos zu entledigen die negative Bilanzbelastung aus den Büchern zu streichen und aus den langfristigen Anlagen kurzfristig liquidierbare Spekulationsware zu machen. Dazu verbrieften die Banken die Hypothekenkredite (machten sie zu Wertpapieren) und verkauften sie an Anleger auf den internationalen Märkten. Dort wurden die Wertpapiere neu gebündelt, versichert und von Ratingagenturen bezüglich ihres Ausfallrisikos bewertet. Die Bonitätseinschätzung fiel oftmals zu gut aus, da die Ratingagenturen von den Banken bezahlt wurden und daher keine objektiven Bewertungen machten. Durch die große Anzahl an Finanzinnovationen (z.B. CDOs = Collateralized Debt Obligations (Wertpapierbündel)), den Handel mit vielschichtigen und intransparenten Finanzprodukten und der stetig steigenden Fremdkapitalquote (Hypo an Zweckgesellschaft übertragen um bei gleichem Eigenkapital Kredite vergeben zu können/dürfen) wurde der Finanzmarkt nicht nur komplexer und unübersichtlicher sondern gewann an Volumen. Es sammelte sich eine Überliquidität an den Finanzmärkten an, zu der es keinen realwirtschaftlichen Gegenwert gab. Die Blase wuchs also weiter. [2]. Nachdem die FED den Leitzins erhöht hatte, kamen die Banken durch die ausfallenden Kreditrückzahlungen in Liquiditätsschwierigkeiten. Auch die Versicherungen und andere mit den Immobilien verbundene Wertpapiere stellten sich als wertlos (=toxisch) heraus und fanden keine Abnehmer mehr. Die US-Regierung rettete/verstaatlichte einige der vor der Insolvenz stehenden Banken (z.B. Fannie Mae), ließ andere aber Pleite gehen. Darunter Lehman Brothers, die viertgrößte Investmentbank der Vereinigten Staaten, die hauptsächlich internationale Gläubiger und kaum Privatkunden in den USA hatte. Mit ihrer Pleite verbuchten viele Banken in Europa enorme Verluste. Der Pessimismus übertrug sich auch auf die Finanzmärkte. Durch den weltweiten Ansteckungseffekt fielen die Aktienkurse, Panik und Konsumzurückhaltung brachen aus[3]. Von Januar bis Mai 2010 brach der Euro um 15% ein. Eigentlich hätte eine Abwertung des Euros eine Chance geboten, wieder in einen wirtschaftlichen Aufschwung zu gelangen, durch die unsichere Lage und einen Rückgang des Vertrauens in das europäische System bzw. einige der Länder sind die internationalen Investoren jedoch vorsichtiger geworden.

Bankenkrise
Die Banken verloren nicht nur das Vertrauen ihrer Kunden sondern auch das Vertrauen untereinander. Der Interbankenmarkt brach zusammen, da große Ungewissheit herrschte, welche Bank wie tief in den Handel mit toxischen Papieren verwickelt war. Banken, die für ihr Überleben dringend Liquidität benötigten bekamen diese nicht mehr bzw. nur noch zu untragbaren Konditionen. Viele europäische Banken hatten ebenfalls mit den Finanzinnovationen gehandelt und blieben nach dem Platzen der Immobilienblase auf den wertlosen Papieren sitzen, kamen in Liquiditätsschwierigkeiten, konnten ihre Schulden und Anlagen nicht mehr bedienen und befanden sich so vor dem Bankrott[4].

Wirtschaftskrise
Da die Finanzinstitute nicht mehr über genug Geld verfügten und ihr Eigenkapital aufstocken mussten, vergaben sie weniger Kredite an Unternehmen bzw. konnten zuvor zugesicherte Zahlungen nicht mehr bedienen. Dadurch mussten global viele Investitionsprojekte (vor allem im Immobilienbereich) eingestellt werden. Durch diese Kreditklemme breitete sich die Krise auch auf die Realwirtschaft aus. Unternehmen konnten ihre geplanten Projekte nicht mehr realisieren und Privathaushalte konnten ihr Konsumverhalten nicht aufrechterhalten. Die USA als größtes Importland der Welt reduzierte die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern, andere Länder folgten dem Beispiel. Dies verstärkte die negative Auswirkung auf die Weltkonjunktur.
Die PIIGS- Staaten. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/PIGS-PIIGS-PIIGGS.png
1.1.5. Staatsschuldenkrise
Als die Banken- und Finanzkrise in Europa ankam gab es erst einmal keine gemeinsame Reaktion auf die Herausforderung. Die Staaten waren unterschiedlich stark betroffen, da ihre wirtschaftsstrukturelle Spezialisierung und ihre Einbindung in den Welthandel differierten. Die Länder der Eurozone sind bei ihren Versuchen die Banken zu retten zunächst in nationale Strukturen zurückgefallen. Sie haben durch die Übertragung der Bankschulden ihre Staatshaushalte stark belastet. Die meisten Länder in Europa haben ein Leistungsbilanzdefizit. Sie importieren mehr, als sie exportieren. Durch die Bankenrettung und die Abstufung ihrer Bonität durch die Ratingagenturen bekamen vor allem die PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland & Spanien) auf den Finanzmärkten kein Geld mehr oder nur noch zu astronomischen Zinsen[5]. Die verschuldeten Länder fielen trotz Einbehaltung von Löhnen, Pensionen und anderen Verpflichtungen in Zahlungsverzug. Für sie gab es nur zwei Möglichkeiten: aus der Eurozone austreten oder um finanzielle Hilfe anderer Staaten bitten. Mit einem Austritt, für den es bis dato keinen offiziellen Rahmen gibt, wäre allerdings die neue nationale Währung eine sehr schwache geworden, was einen negativen Effekt auf die Umrechnung hätte und die Schuldlast des Staates dadurch weiter erhöhen würde.
Griechenland war das erste Land welches vor dem Staatsbankrott stand. 2009 kündigte es ein Budgetdefizit von 13% des BIPs an (welches ein Vierfaches vom Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubtes darstellt). Daraufhin gab es eine Neuevaluierung der Schulden. Sie wurden jetzt auf 130% des BIP geschätzt - doppelt so viel wie in den EU Verträgen erlaubt. Griechenlands Zinsenzahlungsverpflichtungen für den Verkauf von Regierungsbonds stiegen (4% höher als in Deutschland) auch Irland und Portugal mussten höhere Raten zahlen. Griechenland, Irland und Portugal standen vor dem aus. Wenn die Mitgliedsstaaten ihnen kein Geld geliehen hätten, wären sie Bankrott gegangen oder gezwungen gewesen aus der Eurozone auszusteigen. Griechenland stand am schlechtesten da.
Der Bankrott des griechischen Staates hätte große Verluste für seine Gläubiger (hauptsächlich deutsche und französische Banken) bedeutet sowie die Stellung der EU im internationalen Gefüge belastet. Um Opportunitätskosten (griechischer Austritt auf 1 Trillionen € geschätzt), dem Bankrott von großen Banken, einen Vertrauensverlust in das System, noch höhere Ungleichgewichte und eine Abwärtsspirale weiterer Länder („Ansteckungsgefahr") zu verhindern, einigte sich die EU unter vielen Diskussionen und Kritik schließlich doch zu einer gemeinsamen Linie. Es wurden Rettungsschirme für die sich in Schwierigkeiten befindlichen Staaten geschnürt. Die intereuropäische Unterstützung war jedoch an Bedingungen geknüpft. Griechenland, Portugal, Irland und Zypern mussten strukturelle Reformen und Haushaltskürzungen vornehmen, die von der europäischen Kommission, der EZB und dem International Monetary Fund, der sog. Troika überwacht wurden. Diese Maßnahmen brachten die Länder und vor allem ihre Bevölkerung in eine prekäre Lage und beschnitten die Souveränität und Handlungsfähigkeit der nationalen Politik. Zahlreiche Protestaktionen gegen die Austeritätspolitik fanden statt.

1.1.6. Leistungsbilanzkrise
Der Euro wurde eingeführt um Handel und Investment in Europa zu erleichtern. Durch ihn wurden die Kosten des Währungsumtausches eliminiert und der Preiswettbewerb vereinfacht[6]. Um in die Eurozone aufgenommen zu werden, sollten laut dem Vertrag von Maastricht Bedingungen erfüllt werden, wie z.B. die Staatsverschuldung auf einem Level unter 60% des BIP zu halten. Italien und Griechenland erfüllten diese Voraussetzung nie, wurden aber trotzdem in die Eurozone inkludiert. Eine gemeinsame Währung bewirkt aber mehr als nur einen gemeinsamen Markt. Durch sie stehen die Regierungen unter Druck, eine liberalere Politik einzuschlagen um ihre nationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Auch Deregulierungen im Bereich der Arbeitsverträge und Versteuerung werden durch eine Währungsgemeinschaft angetrieben. Traditionelle politische und wirtschaftliche Prozesse wurden unter dem Euro dysfunktional:
In einem System multipler Währungen wird die Wettbewerbsfähigkeit durch die Auf- und Abwertung des nationalen Geldes geregelt. Durch den Euro besteht keine Möglichkeit mehr, die unterschiedliche Produktivität und Lohniveaus durch einen Abwertungsmechanismus auszugleichen. Um weiter im Markt mithalten zu können, werden die Produktionskosten –vornehmlich durch niedrigere Gehälter – gesenkt, oder die Produktivität durch Investments und Innovationen erhöht. So werden soziale Ungleichgewichte, durch schlechtere Gehälter und Arbeitsrechte sowie einer geringerer Machtstellung der Gewerkschaften gestärkt statt beseitigt. Länder mit einer hohen Arbeitsproduktivität wie z.B. Deutschland werden durch die Abschaffung flexibler Wechselkurse bevorzugt[7].
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Konfliktaustragungsform
Die Euro-Krise stellte eine sehr große Herausforderung für die EU als politische Gemeinschaft und die nationalen Regierungen der betroffenen Länder Südeuropas dar und ist als Bewährungsprobe der gemeinsamen Währung und der Glaubwürdigkeit der EU zu betrachten. Vor allem durch die Weltfinanzkrise 2007 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der EU und eine Reaktion der EU folgte notwendigerweise darauf.
Als die Insolvenz Griechenlands, dem ersten Opfer, drohte und die Krise in ihrem Umfang eskalierte, war die Anstreckungsgefahr für europäische Institutionen zunehmend vorstellbar. Es wurde befürchtet, dass die Eurokrise auch auf Länder wie Spanien, Portugal oder Irland, was auch tatsächlich geschah.

Wie reagierte die EU auf die Euro-Krise?

Die ersten Schritte- der „temporäre Rettungsschirm“
https://www.lpb-bw.de/euro_krise.html (19.07.2017) Diese Grafik verbildlicht den Rettungsschirm, welcher den Euro als gemeinsame Währung der EU weiterhin stabil halten soll. Denn während der Euro-Krise war der Euro auf einem Weg ins nichts. Er schien zu scheitern.
Um die Stabilität der gemeinsamen Währung zu gewährleisten, trieb die EU weitreichende wirtschaftliche Reformen voran. Der erste Beschluss war die Einführung eines temporären Rettungsschirms, der auf 3 Jahre angelegt war und Kreditermächtigungen in Höhe von 750 Milliarden Euro vorsah. Diese setzen sich aus drei Elementen zusammen[8]:
  • Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), die über nationale Garantien von 440 Milliarden Euro verfügt.
  • Der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der durch den EU-Haushalt abgesichert ist und 60 Milliarden umfasst.
  • Kredite des IWF in Höhe von 250 Milliarden
Da der Pessimismus in den Finanzmärkten bezüglich der Zukunft der EU zunahm, und die Ratingagenturen sie schlechter bewerteten, mussten auch Portugal, Irland und Spanien von der EU finanziell unterstützt werden. In den darauf folgenden Gipfeltreffen wurden Hilfspakete für die stark verschuldeten Länder vereinbart und die Euro-Staaten einigten sich auf umstandsbedingte Kredithebel.
Die konditionale Austeritätspolitik und ihre Folgen
Die EU versuchte weiter, das Vertrauen an ihr wirtschaftliches Potential wieder zu stärken und die Spekulationen auf eine Zahlungsunfähigkeit der Peripheriestaaten zu stoppen. Dazu wurden die EFSF und die EFSM von dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst. Es handelt sich in diesem Fall um einen dauerhaften Rettungsschirm, eine zwischenstaatliche Einrichtung deren Stammkapital 700 Milliarden beträgt, wobei Kredithilfen nur bis zur Obergrenze  von 500 Milliarden zur Verfügung stehen. Dabei steuern die Euroländer im Wesentlichen Notkredite und Bürgschaften bei. Das Krisenland, welches Hilfe durch den ESM erhält, muss ein Anpassungsprogramm umsetzen um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu verbessern[9]. Das heißt, dass die Peripherieländer, die sich diesem Mechanismus während der Euro-Krise angeschlossen haben, eine strenge und unpopuläre Austeritätspolitik unter Beaufsichtigung der Troika durchsetzen müssen, um die Ökonomie anzukurbeln und somit die Lebensbedingungen der Bevölkerung auf einem höheren Niveau zu stabilisieren. Dennoch ist diese Narrative der EU sehr umstritten, da die Sparpolitik kurzfristig keinen eindeutigen Erfolg hatte. Stattdessen stieg die Arbeitslosenquote in den betroffenen Ländern an, sowie das schon übermäßige Staatschuldenniveau. Die nationalen Regierungen verhandelten intensiv mit der Troika (besonders in Griechenland) über die Kreditprogramme und die Austeritätsmaßnahmen und einigten sich auf einen verbindlichen Vertrag. Im Zuge einer Verringerung der Staatschulden und eines Ausgleichs des Staatshaushalts wurden in Ländern wie Griechenland oder Spanien neben der Privatisierung von Staatsbetrieben und der Entlassung von Staatsbeamten, Lohnkürzungen und Steuererhöhungen erlassen. Dies führte zu sozialen Unruhen und Protesten, sowie zu einem Identitäts- und Vertrauensverlust gegenüber der EU und den europäischen Institutionen. Das Demokratiedefizit der EU-Institutionen und der Mangel an Partizipation der Bürger bei der Entscheidungsfindung, haben in vielen Ländern das Nationalgefühl verstärkt. Die Regierungen der zahlungsunfähigen Mitgliedsstaaten hatten keine Chance, sich gegen das Sparprogramm der Troika zu wehren, denn es gab keine Alternativen außer dem Austritt aus dem Euro, was nach allen Prognosen katastrophale Folgen haben könnte. In diesen Jahren verloren die Regierungsparteien der betroffenen Staaten die Wahlen, denn aufgrund der Souveränitätsabgabe an die EU konnten sie ihre Regierungsprogramme nur teilweise durchsetzen. Die Euro-Krise hat also neben der sozialen Kohäsion die politische Kohäsion der EU geschädigt[10].
Das Austeritätsparadoxon. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/eb/Austerit%C3%A4tsparadox.png
Weitere Maßnahmen und neue Kontrollmechanismen
In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob die EU den Prozess der vertikalen Integration (wie der Fiskalpolitik) weiterführen sollte. Darüber hinaus wollte man verhindern, dass sich eine Krise mit solch negativen Auswirkungen jemals wiederholen könnte. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wurde 2012 unternommen, als die Eurostaaten (außer GB und Tschechien) den Fiskalpakt zur Bewältigung der Schuldenkrise in der Eurozone vereinbarten. Der Vertrag sieht eine stärkere Überwachung der Haushaltspolitiken vor, um diese langfristig zu sichern. Die Staaten verpflichten sich, die im Vertrag festgelegten Regelungen als Schuldenbremse auf nationaler Ebene gesetzlich einzuführen und einen ausgeglichenen Haushalt aufzuweisen. Dieser Pakt verankert die Austerität als einzigen Lösungsmechanismus gegen die Krise und beschränkt die Politiker in ihrer Entscheidungssouveränität auf nationaler Ebene (z.B. für Investitionspolitik)[11]. Außerdem wurde 2011 eine frühzeitige Kontrollphase der nationalen Haushaltsentwürfe beschlossen (Europäisches Semester), die jetzt von der Europäischen Kommission vor dem endgültigen Beschluss überprüft und kommentiert werden können. Auf diese Weise sollen Gefährdungen für die europäische Wirtschaft rechtzeitig erkannt werden. Der Euro-Plus-Pakt und der Six-Pack wurden auch in dieser Zeit vereinbart. Der erste soll als Ergänzung des Rettungsfonds und des Europäischen Semesters dienen und beinhaltet Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der wirtschaftspolitischen Koordinierung[12]. Das Six-Pack führt seinerseits Überwachungsverfahren zur Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakt ein[13].
Dabei bleibt festzuhalten, dass durch diese Maßnahmen die Koordination der Wirtschaftspolitik innerhalb des Euroraumes und der EU deutlich verbessert werden konnte. Aus diesem Grund ist der Euroraum durch die Krise enger verbunden worden und hat die vertikale Integration vorangetrieben. Während andere Krisen, wie beispielsweise der Brexit oder die Flüchtlingsproblematik die EU auseinanderbringen, eint die Eurokrise die Staaten also - zumindest auf politischer und wirtschaftlicher Ebene.
Die Rolle der EZB in der Eurokrise ist von großer Bedeutung, da diese Institution 2010 und 2011 Staatsanleihen von den betroffenen Ländern kaufte (insgesamt 210 Milliarden), um Spekulationen gegen die bedrohten Länder entgegenzuwirken und die Liquidität im Bankensystem zu erhöhen. Außerdem wurde 2014 eine Bankenaufsicht eingerichtet, welche die EZB ermächtigt, die Geschäfte der 120 größten Banken des Euroraums zu kontrollieren. So sollen angeschlagene Banken von nun an direkt von dem Rettungsfonds versorgt werden können. Diese Regelung kommt einer richtigen Bankenunion auf europäischer Ebene näher[14]. Von einer "vollständigen" Bankenunion kann aber noch nicht die Rede sein, da viele Banken nicht von der EZB beaufsichtigt werden, sondern weiterhin von nationalen Institutionen. 

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qcloze
 Institutionen der Konfliktbearbeitung
Durch die europäische Währungsunion und die Verflechtungen auf dem Finanzmarkt, können wir in der Eurokrise viele verschiedene Akteure erkennen. Im Folgenden sollen die Wichtigsten genauer betrachtet werden.

Nationale Regierungen und Parlamente
Ende 2007 stellten immer mehr nationale Regierungen Anträge bei der EU-Kommission, um ihren Banken bei Zahlungsschwierigkeiten infolge der US-Immobilienkrise unter die Arme greifen zu können. Die EU-Kommission sah dies damals als vereinzelte und national beschränkte Ausläufer der Immobilienkrise an[15]. Dies sollte sich als fataler Irrtum herausstellen.
Wie bereits angesprochen, entwickelte sich – auch durch andere Einflüsse – eine Dynamik, die einige europäische Länder (allen voran Griechenland) im weiteren Verlauf hart traf. Dem gegenüber stehen Staaten, welche die angeschlagenen Länder in der Folge als Geldgeber mit Hilfspaketen unterstützen. Dementsprechend entwickelten sich die Handlungsmöglichkeiten der nationalen Regierungen auseinander. Während sich wirtschaftlich angeschlagene Länder an Auflagen und Sparkurse halten mussten, um Unterstützung zu erhalten, konnten die Geldgeber – allen voran die deutsche Bundesregierung – Auflagen diktieren. So geht unter anderem die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an der Troika auf deutsche Forderungen zurück[16].
Interessant ist weiterhin, dass die nationalen Regierungen ihren angeschlagenen Euro-Kollegen gar nicht mit Hilfspaketen hätten helfen müssen. Die Nichtbeistands-Klausel im „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ besagt nämlich, dass kein Mitgliedsstaat der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates haften muss (Art. 125 AEUV).
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/97/Ausweitung_EZB-Anleihekaufprogramm.png
Europäische Zentralbank
Die Europäische Zentralbank ist durch die Eurokrise zu einer der wichtigsten Institutionen in der EU und im Euroraum aufgestiegen.
Laut EU-Vertrag sollte die EZB eine ausschließlich technokratische Institution sein. Es gibt dort keine Grundlage für direkte Verhandlungen mit EU-Mitgliedsstaaten.
Genau das hat die EZB aber während der Eurokrise verstärkt gemacht, zum Beispiel in der Troika, aber auch in anderen Gesprächen[17]. Die vorrangige Aufgabe war dabei, die Euro-Länder von den harten Sparkursen zu überzeugen.
Diese Vorgehensweise ging zwar auch mit einer erweiterten Rechenschaftspflicht einher, allerdings gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob die Arbeit der EZB für das EU-Parlament transparent genug war/ist.
Außerdem sorgt die Europäische Zentralbank für die Bereitstellung von Liquidität für Banken, für eine Regulierung des Zinsniveaus und ist unter anderem beim Kauf von Staatsanleihen auf dem Finanzmarkt aktiv[18].
Da die gemeinsame europäische Währung zeitweise stark bedroht war, musste die EZB als einzige kurzfristig flexible Institution in einer unvollständigen Währungsunion einspringen.
Der Währungsunion fehlt es demnach vor allem an Instrumenten zur Problemlösung und der Koordination, welche die EZB in der Troika in der Folge mit übernahm[19]

Internationaler Währungsfonds (IWF)
Der Internationale Währungsfonds ist eine Unterorganisation der Vereinten Nationen. Die Aufgabe der Organisation besteht darin, Länder, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, mit Krediten zu unterstützen. So geschah dies auch in der Eurokrise. Der IWF wurde auf Forderung der Bundesregierung mit in die Verhandlungen eingebunden, weil er den harten Sparkurs, den Deutschland mit den Krediten verknüpfen wollte, ebenfalls guthieß. In der weiteren Folge vergab der IWF also Kredite und überwachte die Einhaltung der Gegenleistungen im Rahmen der Troika[20].

EU-Kommission
Wie bereits erwähnt nahm auch die EU-Kommission die Lage zu Beginn nicht allzu ernst. 2009 hielt die EU-Kommission fest, dass die Europäische Politik von der Krise überrascht wurde[21]. Erste konkrete Hilfsangebote erfolgten etwa ein Jahr später, als Griechenland angeboten wurde, die Regierung bei der Kontrolle und der Einhaltung des Sparprogramms zu unterstützen. So entwickelte sich die Troika. Das Mitspracherecht der EU-Kommission durch die Troika scheint allerdings begrenzt. So forderte Kommissionspräsident Junker beispielweise selbst die Auflösung der Kooperation[22].
Der ausschlaggebende Entscheidungsdruck wurde oftmals nicht durch die EU-Kommission, sondern direkt über die Regierungen der führenden Euro-Staaten, beispielsweise durch Deutschland, ausgeübt[23].

Troika, später Quadriga
Die Troika ist die Kooperation von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zur Überwachung der Sparmaßnahmen in den angeschlagenen Ländern. 2015 wurde der Name auf Wunsch der griechischen Regierung in „die Institutionen“ umgeändert. Seit dem selben Jahr ist aus der Troika eine Quadriga geworden, indem der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, hinzugekommen ist. Ziel der Finanzierungsinstitution ESM ist es, die zahlungsunfähigen Länder mit Krediten zu unterstützen und so die Solidarität der EU weiter zu stärken. Der ESM ist also Teil des Euro-Rettungsschirms (Staak, 2012:256).
Die rechtliche Anpassung der Rettungsfonds am europäischen Recht war sehr umstritten, denn nach dem Artikel 125 AEUV (No-Bail-Out-Klausel) ist es der EU und den Mitgliedstaaten verboten, auf die Verbindlichkeiten eines anderen Mitglieds zu haften. Dennoch wurden die Hilfskredite mit Art. 122 Abs.2 rechtfertigt. Diese Vorschrift erlaubt die finanzielle Unterstützung der Mitgliedsländer im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Ereignissen, sowie die Euro-Krise erachtet wurde.
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1.4 Zwischenfazit
Obwohl die Wirtschaft der Eurostaaten sich in den letzten Jahren erholt hat, lassen sich die Folgen der Euro-Krise noch spüren. Das Wohlstandsniveau und die Lebensqualität in Europa hat deutlich abgenommen, die (Jugend-)Arbeitslosigkeit sowie die Erwerbsarmut bleibt ein großes Problem. Außerdem hat die Unzufriedenheit mit den Entscheidungen der EU und ihrer Sparpolitik in einer bemerkenswerten Unterstützung linkspopulistischer (Syriza, Podemos…) und rechtspopulistischer Parteien (Front Nationale, AfD) gemündet, welche die gemeinsame Währung und sogar das europäische Projekt hinterfragen.
Dennoch schaffte es der Euroraum auch durch das Vorantreiben des vertikalen Integrationsprozesses (beispielsweise durch die Fiskalpolitik), dass Europa in Fragen der Wirtschaftspolitik deutlich enger zusammenarbeiten kann und auch zusammenarbeitet als dies vor der Krise der Fall war.

2.1. Bedrohte politische Institutionen 
Die Lösung der Krise erforderte weitreichende wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entscheidungen in der EU als Gemeinschaft. Durch die staatliche Rettung der Banken verschlechterte sich die Lage für viele Mitgliedsstaaten zunehmend. Die Euro-Krise hat für die Europäische Union grundlegende Fragen aufgeworfen, die nicht nur die Finanzierung von überschuldeten Staaten beziehungsweise das Verhältnis zwischen Politik und Finanzmärkten thematisieren, sondern auch die demokratische Legitimation der europäischen Institutionen.

2.1.1. Bedrohung der Währungsunion
Durch die Euro-Krise ist besonders die europäische Währungsunion, insbesondere die EZB, vom Zerfall bedroht. Komplexe Zusammenhänge innerhalb der Währungsunion führen jedoch auch dazu, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten und nationalen Banken immense Herausforderungen zu tragen haben und nach wie vor Sorge vor einer erneuten Finanzkrise besteht. Die Euro-Krise ist außerdem eine Krise des Systems der EU, da sie die Ungleichgewichte und Dominanzstrukturen, die sie entwickelt hat, nicht lösen konnte. Diese Ungleichgewichte beispielsweise in der Leistungsbilanz waren Ursache der Krise.
2.1.2. Bedrohung der Wertegemeinschaft
Die Euro-Krise nimmt des Weiteren auch Einfluss auf die Wertegemeinschaft. Mit ihr sank das Vertrauen in die Finanzwirtschaft und in die politischen Institutionen. Die strenge Austeritätspolitk der Staaten soll einen ausgeglichenen Staatshaushalt bewirken und die gesamtwirtschaftliche Situation verbessern, indem im öffentlichen und privaten Haushalt Ausgaben reduziert werden. Für diese Art von Sparpolitik spricht, dass durch geringere Kreditnachfrage die Bonität eines Staates zunimmt. Damit würden auf mittlere Sicht Zinsen niedriger und die Schuldenlast eines Staates schrumpfe. Dagegen wird gehalten, dass staatliches Sparen dazu führe, dass das Wirtschaftswachstum zurückgehe. Damit würden auch immer mehr private Haushalte sparen und die Nachfrage sinken, was zu einer hohen Arbeitslosenquote führen kann wie man in Griechenland, Portugal und Spanien sehen kann.
Besonders hoch verschuldete Länder wie Griechenland wurden angehalten, starke Einsparungen vorzunehmen. Durch diese autoritativen Wertzuweisungen beispielsweise in Form der Troika von Ländern wie Deutschland und Frankreich verstärkte weiter das Ungleichgewicht innerhalb der Union und die Wertegemeinschaft entfernte sich voneinander.  
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2.2. Bedrohte Systemziele
  • Gewaltfreier Konfliktaustrag
Ein Konfliktaustrag in Form von Krieg, sei es innerstaatlich oder zwischenstaatlich, ist mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht abzusehen. Jedoch haben im Zuge der Eurokrise besonders in Staaten mit hoher Abhängigkeit von den Entscheidungen der Troika z.T. gewalttätige Demonstrationen stattgefunden. Vor allem in Griechenland und Portugal wurde zunehmend auf offener Straße gegen die sozioökonomischen Reformen und damit auch gegen dessen Initiatoren, insbesondere gegen Angela Merkel, protestiert, wobei hier u.a. von den Demonstranten Referenz zum NS-Deutschland gezogen wurde[24].
  • Gesamtgesellschaftlicher Wohlstand
Da durch den Eintritt in die Eurozone die Devaluation der Nationalwährungen unmöglich geworden ist, erhöhte sich der Druck auf die Regierungen, liberalere Wirtschaftspolitik zu betreiben um dem steigenden Wettbewerb innerhalb der EU standhalten zu können. Die Wettbewerbsfähigkeit lässt sich entweder durch Kostensenkungen (bspw. durch Gehaltskürzungen) oder Produktivitätssteigerungen (durch Investitionen und Innovationen) herbeiführen[25]. In den südlichen Peripherieländern wurde somit voraussetzungsbedingt vor allem der Fokus auf kostengünstige Arbeitskräfte und einen nachfragegesteuerten Wachstum gesetzt. Nordeuropäische Länder waren damit gleichzeitig in der Lage, mehr zu investieren und ihren Marktanteil in der EU weiter zu manifestieren[26]. Somit bildete sich eine innereuropäische Schere aus, die sich durch eine auf einem konstant hohem Niveau befindlichen Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen in südeuropäischen Ländern auszeichnet, während im Norden Europas vorrangig hohe Löhne und eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote bestehen [27]. Diese Entwicklung wurde durch die Schuldenkrise noch weiter verstärkt, womit der Wohlstand in der südlichen Peripherie ab 2010 einen merklichen Abschwung erlitten hat.
  • Achtung der Menschen- und BürgerInnenrechte / Rechtsstaatlichkeit
Obwohl eine zunehmende Verarmung und Perspektivlosigkeit in den von der Schuldenkrise betroffenen Ländern (insbesondere in Griechenland) zu beobachten ist, kann bislang nicht von einer Bedrohung der Einhaltung von Menschen- und BürgerInnenrechten oder der Rechtsstaatlichkeit gesprochen werden.
  • Demokratische Entscheidungsfindung und Minderheitenschutz
Als eine der bemerkenswertesten Folgen der Eurokrise lässt sich der politische Vertrauensverlust von Bürgern in Ländern benennen, welche besonders stark von der Krise betroffen sind. Die Wertschätzung von politischen Institutionen und dem (supra-)nationalen Establishment, sowie der Art und Weise wie europäische Demokratie funktioniert, hat hierbei stetig abgenommen[28]. Es herrscht in diesen Fällen die allgemeine Meinung vor, die demokratische Entscheidungsfindung habe sich immer weiter vom Bürger entfernt, da hauptsächlich die Staatschefs europäischer Mitgliedsländer zusammen mit der EZB und IMF die wichtigsten Entscheidungen zur Implementierung von Reformen getroffen haben, welche die jeweiligen nationalen Regierungen lediglich ohne weiteren Einfluss zu unterschreiben hatten[29]. In ihrer Absicht damit die größten wirtschaftlichen Defizite eindämmen zu können, fühlte sich jedoch ein Großteil der Bürger in der politischen Entscheidungsfindung vernachlässigt. Diese Entwicklung äußert sich vor allem in einer zunehmend beobachtbaren Abwendung der Wähler von den etablierten Parteien. Durch den Vertrauensverlust in die EU und in ihre nationalen Regierungen veränderte sich die Zusammensetzung der Parteien im Süden Europas von einem Wahlzyklus zum nächsten auf sehr drastische Weise, was z.T. auch von einem vermehrten Aufkommen anti-demokratischer Parteien begleitet wurde[30].
Trotz allem lässt sich in Ländern unter Troika-Aufsicht eine gleichzeitige Zunahme in der Unterstützung der allgemeinen Bevölkerung von demokratischen Grundwerten erkennen. Dadurch, dass die Austeritätsmaßnahmen vor allem von supranationalen Institutionen gefordert und schlussendlich durchgesetzt wurden, nutzten die nationalen Regierungen jene Umstände um die Schuld an wirtschaftlichen Missständen auf besagte Institutionen zu schieben[31].
Eine Achtung des Minderheitenschutzes ist im Allgemeinen nicht gefährdet, sieht man von der Bedrohung eines Aufkommens rechtsextremer Parteien (wie der goldenen Morgenröte, Χρυσή Αυγή, in Griechenland) ab. In diesem Falle herrscht vor allem angesichts der Flüchtlingslage die Gefahr einer Diskriminierung und Benachteiligung von Minderheiten auf Regierungsebene.

 2.3. Krisentypus
Die Unfähigkeit/Unwilligkeit Griechenlands nötige sozioökonomische Reformen zu erbringen um der immensen Staatsverschuldung entgegenzuwirken, führt zu der Schlussfolgerung dass es sich hier zumindest zu Teilen um eine Funktionskrise handelt. Gleichzeitig leitet dieser Umstand zu einer europaweiten Legitimationskrise insofern, als dass mit jeder weiteren zwischenstaatlichen Verhandlungsrunde die gesamteuropäische Kooperationsfähigkeit infrage gestellt wird. Die extrem unterschiedlichen Sichtweisen auf beiden Seiten der verhandelnden Nationen, sowie auch das Fehlen einer Institution, welche Kooperation und Kommunikation auf EU-Basis und auf nationalem Niveau vereinfacht, verhindern besagte demokratische Legitimation. Um sich auf Wirtschaftsmaßnahmen zu einigen die funktionieren und soziale Gerechtigkeit versprechen, wird somit eine offenere Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit benötigt[32].
2.4  Handlungsalternativen der AkteurInnen
Die Euro-Staaten verwandelten die Euro-Krise in eine Staatsschuldenkrise und nahmen Eingriffe vor, die Paul Krugman „Europe’s Great Illusion“ [33] nennt.
Dabei verschärften die Euro-Länder erst die Regeln, die jedoch Teil der Krise sind. Nach wie vor wurde der Blick auf die Defizite in Bilanzen gelegt und nicht auf die Überschüsse. Außerdem wurden staatliche Investitionen durch die restriktive Schuldenbremse erschwert. Auch die Überwachung über verschuldete Länder wie Griechenland nahm durch die Troika zu. Diese Schritte hielten die Euro-Staaten im Fiskalpakt fest.
Darauf folgte die Idee, durch Kürzungen von Löhnen und Renten und durch Deregulierungen das Interesse außenstehender Investoren zu wecken und dadurch das Wirtschaftswachstum anzuregen und den Schuldenstand zu reduzieren. Durch die Investitionen sollen die Krisenstaaten Wettbewerbsfähigkeit erlangen und zu Exportländern aufsteigen.
Die Bedingungen wurden konditional mit den Krediten verbunden. Somit wollten und durften die Krisenländer keine Insolvenz anmelden, da die privaten Verluste der Banken durch öffentliche Schulden gedeckt wurden. Die Kredite aus dem Rettungsschirm, die beispielsweise an Griechenland gingen, wurden wenig später als Tilgung der Schulden an deutsche und französische Banken zurückgezahlt. Dabei wurden auch Staatsanleihen voll ausgezahlt, die in der Krise massiv an Wert verloren hatten. Der wirtschaftliche Kurs soll dazu führen, dass alle Mitgliedsstaaten zu Exportgrößen erwachsen. Damit würde Deutschland jedoch gleichzeitig seinen Absatzmarkt verlieren, da ein Ungleichgewicht zwischen Export- und Importländern entstünde.
 




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Videovortrag Josha Abels
Der folgende Vortrag von Joscha Abels thematisiert nun die Frage, ob die Krise der Währungsunion den Frieden in Europa bedrohen kann. Dabei möchte er den fundamentalen Zusammenhang zwischen Frieden und Wirtschaft verdeutlichen. Im Verlauf des Vortrags beschreibt er zunächst die Eurokrise und wie es zu dieser kam. In einem dritten Teil erläutert er die Gefahr für den Frieden der Krise. Dabei ordnet er die Euro-Krise als eine System- und eine Funktionskrise ein. Er wirft ein, ob nicht bereits die entstandenen Missstände das Gegenteil von Frieden seien. Auch wenn keine Desintegration stattfindet wäre der Frieden gefährdet. Außerdem appelliert er, dass die Austeritätspolitik beendet werden muss, sonst beende diese Europa.
Joscha Abels ist seit September 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung bei Prof. Dr. Andreas Hasenclever. Joscha Abels studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der Universität in Oslo, bevor er in Tübingen sein Masterstudium in Friedensforschung und Internationale Politik begann. Dieses schloss er im Sommer 2015 mit seiner Masterarbeit zum Zusammenhang zwischen der Eurokrise und dem innereuropäischen Frieden ab. Seither ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen. Hierbei ist er im Bereich der Internationalen Beziehungen und der Friedensundkonfliktforschung tätig. Für seine Dissertation befasst er sich mit der Institutionellen Struktur der Eurogruppe.
Gastvortrag George Andreou
Der Beitrag von Dr. George Andreou beschäftigt sich ergänzend mit den Auswirkungen der Eurokrise auf den inneren Frieden Europas. Hierbei betrachtet er besonders den Einfluss auf die wirtschaftliche, territoriale, soziale und politische Kohäsionen der EU. Zum Schluss betrachtet er außerdem die Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit. Hierbei ist er trotz der starken Auswirkung hin zur Euroskepsis und des Erstakten Populismus positiv gestimmt, denn es wurde  mit zahlreichen Reformen auf die Probleme der Krise reagiert.
Dr. George Andreou studierte Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Universität in Athen und am College of Europe in Brüssel. 2001 erlangte er seinen PhD in Politikwissenschaft und Public Administration an der Universität in Athen. Anschließend war er Dozent am Politikwissenschaftlichen Lehrstuhl an der Universität Thessaloniki, der Universität von Kreta und der Universität Peloponnese. Sein Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Europapolitik un im speziellen der Kohäsionspolitik der EU. Desweiteren befasst er sich mit Themen der Europäisierung der Public Policy innerhalb der Europäischen Union, sowie mit den Beziehungen zwischen Griechenland und der EU.
Quellen- & Literaturverzeichnis

[1] vgl. Hähnel, Stefan (2016) Die Finanzkrise 2007-2009. Die Krise als nicht intendiertes Resultat unangemessener institutioneller Rahmenbedingungen. Bayreuth.S.295.
[2] vgl. ebd.
[3] vgl. Köhler, Christina & Weber, Mathias (2013): Die Finanz- und Wirtschaftskrise Ursachen, Folgen und Interventionen. In: Quiring, Oliver et al. (Hrsg.). Lehman Brothers und die Folgen. Berichterstattung zu wirtschaftlichen Interventionen des Staates. Wiesbaden. S.20.
[4] vgl. Hähnel, Stefan (2016) Die Finanzkrise 2007-2009. Die Krise als nicht intendiertes Resultat unangemessener institutioneller Rahmenbedingungen. Bayreuth.S.295.
[5] vgl. Europäische Kommission (2015) Die Europäische Union erklärt: Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro. Luxemburg: Europäische Union.
[6] vgl. ebd.
[7] Bieling, Hans-Jürgen (2013): Die krisenkonstitutionalistische Transformation des EUImperiums : zwischen autoritärer Neugründung und innerem Zerfall .In: Eberhard Karls University Tübingen: Publication System.
[8] vgl. Haltern, Ulrich (2017): Europarecht. Dogmatik im Kontext. 3. Auflage. Tübingen. S.114.
[9] vgl. ebd. S.115.
[10] vgl. Europäische Kommission (2016) Standard-Eurobarometer 85-Frühjahr 2016. Die öffentliche Meinung in der Europäischen Union, Erste Ergebnisse. Brüssel: Europäische Union. S.16.
[11] vgl. Haltern, Ulrich (2017): Europarecht. Dogmatik im Kontext. 3. Auflage. Tübingen. S.116.
[12] vgl. Obwexer, Walter (2012): Das System der „Europäischen Wirtschaftsregierung“ und die Rechtsnatur ihrer Teile: Six-Pack, Euro-plus-Packt, Europäisches Semester, Rettungsschirm. In: Zeitschrift für öffentliches Recht. 67:2, S. 228.
[13] vgl.Haltern, Ulrich (2017): Europarecht. Dogmatik im Kontext. 3. Auflage. Tübingen. S. 115.
[14] vgl. vgl. Europäische Kommission (2015) Die Europäische Union erklärt: Wirtschafts- und Währungsunion und der Euro. Luxemburg: Europäische Union.
[15] Europäische Kommission (2008) Mitteilung der Kommission - Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise.
[16] Preunckert, J.; Vobruba, G. (2012) Die Eurokrise. Konsequenzen der defizitären Institutionalisierung der gemeinsamen Währung. In: Serie Europa Universität Leipzig. Nr. 1/ 2012. S. 12.
[17] Tokarski, P. (2016) Die Europäische Zentralbank als politischer Akteur in der Eurokrise. Berlin. S.5f..
[18] Europäische Zentralbank (2010) ECB announces change in eligibility of debt instruments issued or guaranteed by the Greek government.
[19] Tokarski, P. (2016) Die Europäische Zentralbank als politischer Akteur in der Eurokrise. Berlin. S.35.
[20] Preunckert, J. ; Vobruba, G. (2012) Die Eurokrise. Konsequenzen der defizitären Institutionalisierung der gemeinsamen Währung. In: Serie Europa Universität Leipzig. Nr. 1/ 2012.S.13.
[21] Europäische Kommission (2009) Economic crisis in Europe. Causes, consequences and responses.S.56.
[23] Tokarski, P. (2016) Die Europäische Zentralbank als politischer Akteur in der Eurokrise. Berlin. S.35.
[24] vgl. Glencross, A. (2013) The Eurozone Crisis as a Challenge to Democracy and Integration in Europe. In: Europa-Kolleg Hamburg - Disscussion Paper Nr. 3/13.S. 63.
[25] vgl. ebd. S. 57.
[26] vgl. ebd. S. 64.
[28] vgl. Cordero, G. und Simón, P. (2016) Economic Crisis and Support for Democracy in Europe. In: West European Politics. 39:2, S. 306.
[29] vgl. Schmidt, V. (2013) A Crisis of Politics, Not Just Economics. In: The International Spectator. 48:3, S.2.
[30] vgl. ebd. S.4.
[31] vgl. Cordero, G. und Simón, P. (2016) Economic Crisis and Support for Democracy in Europe. In: West European Politics. 39:2, S. 320.
[32] vgl. Schmidt, V. (2013) A Crisis of Politics, Not Just Economics. In: The International Spectator. 48:3, S.6.
[33] Krugman, Paul (2012) Europe´s Great Illusion. In: New York Times. Unter: http://www.nytimes.com/2012/07/02/opinion/krugman-europes-great-illusion.html?mcubz=3


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