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3 Analyse

Zur Analyse wurde sich hauptsächlich am Situationswürfel sowie am Komplexprogramm von Dieter Senghaas orientiert. Eine genauere Erläuterung der Methoden finden Sie in der Einführung.
Der Situationswürfel
Situationswürfel zur Einordnung von Krisen. (Der Situationswürfel basiert auf Hermann, Charles (1973), „Indikatoren internationaler politischer Krisen“; in: Jänicke, Martin (Hg.): Herrschaft und Krise. Beiträge zur politikwissenschaftlichen Krisenforschung, Opladen: Westdeut-scher Verlag (UTB), S. 53.)
Im Fall der Euro-Krise liegt eine kurze Entscheidungszeit vor. Aufgrund des drohenden Staatsbankrotts der betreffenden Länder, waren schnelle Lösungen gefordert. Dies bedeutete einen großen Druck auf alle Beteiligten in den Verhandlungsrunden.
Zudem war die Krise vorhersehbar, da die wirtschaftlichen Mechanismen auf lange Frist nicht haltbar waren. Trotzdem hat die Krise ganz Europa unvorbereitet getroffen und stellt daher einen hohen Überraschungsfaktor dar .
Die Bedrohung ist hingegen weder als besonders hoch noch als besonders niedrig einzuordnen. Da die Situation keine Prezedenzfälle hat und die möglichen Ausgänge somit schwer einzuschätzen sind, kann im schlimmsten Fall ein Zerbrechen der Währungsunion (oder der EU als Ganzes?) folgen. Im Besten Fall kann jedes Land die Schuldenkrise überwinden und die EU als Ganzes gestärkt aus der Krise wieder aufstehen. Es besteht also ein mittleres Bedrohungspotential.
Einordnung zwischen "Krisensituation" und "Umstandsbedingter Situation" (zwischen "A" und "D")













Analyse nach Senghaas
Grad der Vergemeinschaftung. Quelle: Eigene Darstellung.
Die Bewertung des Vergemeinschaftungsgrads hängt, wie in der Grafik deutlich wird, von verschiedenen Faktoren ab. Im Fall der Euro-Krise liegt nach einer Einordnung der Reaktionen auf die Krise, eine Gefahr für den inneren Frieden Europas vor. Zwar sprechen die zunehmende Verantwortung und das Hinzukommen neuer Institutionen für eine Vertiefung des Vergemeinschaftungsgrads, allerdings sind vor allem das "Blaming und Shaming" der Institutionen und die Machtasymmetien zwischen den Staaten für eine Schwächung des Vergemeinschaftungsgrades.
Die Konfliktlinie zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern, spiegeln diese Asymmetrie wider, welche eine potentielle Gefährdung darstellt. Auch die Bedrohung der nationalen Verantwortung bildet einen Konfliktpunkt innerhalb der EU und spricht für Desintegration. Hinzukommt die steigende Verarmung und die wachsende Abhängikeit der schwachen EU-Staaten, welche ebenfalls Ursachen für desintegirenden Tendenzen sind.
Die folgende Grafik soll die genannte Schwächung der europäischen Kooperation durch die Euro-Krise veranschaulichen:
Gefährdung des Friedens in Europa durch die Euro-Krise. Quelle: Eigene Darstellung.
Diese Schwächung wird deutlich durch:
  • das Erstarken populistischer Kräfte
  • die Einschränkung politischer Mitbestimmungsrechte
  • den Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust
Man kann die Eurokrise auf formaler Ebene also als integrierend einstufen, auf informaler Ebene sind jedoch starke desintegrierende Tendenzen zu erkennen.

Somit wird der innere Frieden in Europa gefährdet.
Lösungsansätze
Es können drei konkrete Lösungsansätze herausgearbeitet werden:
  1. Zum einen wäre ein Diskurswandel innerhalb der EU notwendig. Hierbei sollte mit Hilfe eines offeneren, plurtalistischen Austauschs ein progressiver Plan für Europa ausgehandelt werden und kritische Ideologien wie beispielsweise der Keynsianismus, zurückgehalten werden. Im Rahmen des Diskurses müssen außerdem Alternativen zur Austeritätspolitik in Betracht gezogen werden.

  2. Hinzu kommt, dass die Schuldenursachen genauer untersucht werden müssen und zwischen den einzelnen Ländern und deren individuellen Charakteren unterscheiden wird. Schulden sollten nicht in jedem Fall als negativ gewertet werden, sondern können auch als Element des wirtschaftlichen Prozesses gesehen werden.

  3. Eine weitere Alternative zur Lösung der Krise und der Schwächung des Vergemeinsachaftungsgrades könnte ein europäischer Finanzminister sein. Dieser ist jedoch vielseitig interpretierbar. Daher hängt dieser Lösungsansatz von seiner Umsetzung ab. Es besteht das Problem der Legitimation gegenüber der Bürger.
5 Fragen an George Andreou
Im Rahmen des Interviews mit Dr. Georg Andreou werden zur Vertiefung der Analyse 5 Fragen beantwortet, um die Euro-Krise noch besser einordnen zu können.
Zum einen wird die Frage geklärt, ob die Euro-Krise bereits vorüber ist. Hierbei wird sie nicht mehr als das Hauptthema der europäischen Agenda gesehen. Denn Themen wie der Brexit oder die Migration überschatten sie aktuell. Allerdings sieht George Andreou die Euro-krise als "the main testing gorund" der europäsichen Kooperation an, welche eine Mege von Unterschieden zwischen den Ländern aufzeigte.
Auch das Thema eines möglichen "Grexit" wird angesprochen, wobei Andreou diesen jedoch momentan nicht auf der Agenda sieht. Zudem wird ein Zusammenhang zum Populismus in Europa thematisiert. Ist dieser eine Folge der Euro-Krise? Hierzu sagt Andreou, dass die Eurokrise es der populistischen Politik einfach gemacht hat, denn in der Bevölkerung ist zunehmend eine negative Stimmung und Misstrauen gegenüber der EU zu vernehmen. Was dazu führt, dass einfache Lösungen gesucht und bei populistischen Parteien gefunden werden.
Zum Schluss gibt Andreou eine persönliche Prognose über die Entwicklung der EU ab: Wünschenswert seien hierfür mehr Disskussion zwischen den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen, sowie mehr Solidarität. Für ihn sind Reformen notwendig. Sein Rat an die europäischen Politiker ist es sich vom ursprünglichen Elektorat zu distanzieren und sich an einer Vison von einem Europa in 10 Jahren zu orientieren.

Das Interview führte Liam Kreutschmann (Universität Freiburg).
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